Erzieher
Lynn
Ich, Lynn Thiessen, bin 1971 geboren und hatte das Glück, dass meine Eltern weitsichtig
genug waren, um die Defizite im damaligen Erziehungs- und Bildungssystem zu erkennen.
Unzufrieden mit der Erziehung in Großgruppen in den damaligen Krippen und Kitas und der
gesamten Vorschulerziehung, entschieden sie sich dafür, mit anderen Eltern gemeinsam
einen alternativen Kinderladen zu gründen. Der grundlegende Gedanke beinhaltete eine
Erziehung, die auf die Bedürfnisse der Kinder einging, ihre natürliche Neugier
unterstützte und den Spaß am Lernen sowie die Kreativität des einzelnen Kindes
förderte.
Das Bewusstsein über die Schwächen der frühkindlichen Bildung führte später dazu, dass
Erzieher und Eltern beschlossen, diesen Kinderladen in eine der ersten
Integrationsgruppen in Berlin zu verwandeln. Es war über Jahre der erste Versuch,
autistische Kinder zu integrieren.
Zum pädagogischen Grundkonzept gehört es immer, die Kreativität aller Kinder zu
fördern. Da dies in meinem persönlichen Fall mit meinen eigenen Neigungen zusammen
fiel, war es kein Wunder, dass ich - nach meinem Abschluss als Schneidermeisterin -
Kostümbildnerin in diversen Theaterprojekten wurde. Nun ist die freie Theaterszene im
doppelten Sinne frei. Vollkommen frei in ihren kreativen Prozessen, aber auch frei von
jedweder Form existenzieller Verbindlichkeit, was allerdings fast zwangsläufig zu einer
gewissen Ellbogenmentalität führt.
Mittlerweile selbst Mutter geworden, erinnerte ich mich an eine frühe Lehre: „Wenn die
Kinder klein sind, so gib ihnen Wurzeln. Wenn sie groß sind, so gib ihnen Flügel.“
Entsprechend entschied ich mich, meine Arbeit für gebildete Erwachsene am Theater zu
beenden und mich der Förderung unverbildeter Kinder zuzuwenden, was eine weitere
Ausbildung – diesmal zur Erzieherin - beinhaltete. Darüber hinaus befinde ich mich
zurzeit in einer Zusatzausbildung zur Integrationserzieherin.
Aufgrund meiner eigenen und meiner Praxiserfahrungen in der Kinderladenarbeit spielt
für mich die Entwicklung der individuellen Kreativität bereits im Elementarbereich eine
herausragende Rolle. Die gezielte Kreativitätsförderung stellt eine grundlegende
Kompetenzentwicklung aller Kinder dar. Kreatives Handeln ist dabei nicht auf wenige
Bereiche wie Kunst, Theater oder Musik begrenzt, vielmehr ermöglicht es, in allen
Bereichen eine Handlungs- und Lösungskompetenz zu entwickeln.